Update 6. Oktober 2022: Seit der ersten Version dieses Beitrages vom Juli 2016 ist einiges passiert. Dennoch stimmt die Ausgangsthese noch immer: Trotz des Hypes und der Allgegenwärtigkeit des Begriffs „Content-Marketing“ – oder auch gerade deswegen – existieren nach wie vor die unterschiedlichsten Vorstellungen darüber, was das ist und was damit erreicht werden soll.
Das liegt nicht zuletzt an der Unschärfe des Begriffs „Content“. Denn genau hier geben die Autoritäten, die sich an einer Definition von „Content-Marketing“ versuchen, widersprüchliche und oft vage Auskünfte.
„Content“-Verwirrungen
Das „Lexikon“ von Onlinemarketing.de stellt „relevante und wertvolle Inhalte“ in den Mittelpunkt, die „auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet sind“. Das erinnert an die Definition des Content Marketing Institute: Content Marketing konzentriert sich strategisch auf „die Erstellung und Verbreitung wertvoller, relevanter und konsistenter Inhalte“ für ein klar definiertes Publikum. Aber natürlich werden Marketing-Profis all ihre Contents – bis hin zu Werbeclips und großformatigen Werbebannern – stets als wertvoll und relevant für ihre Zielgruppen einschätzen; warum sollten sie sonst in ihre Erstellung investieren?
Das Gabler Wirtschaftslexikon spricht von der „informierenden, beratenden und/oder unterhaltenden Bereitstellung von Unternehmensinformationen“ v. a. im Online-Marketing und lässt dabei leider den Zielgruppenbezug weg. Falls mit „Unternehmensinformationen“ Infos zu oder über das Unternehmen gemeint sind, schränkt das auch die möglichen Inhalte unnötig ein. Besser macht es die Wikipedia. Sie betont den Gegensatz zu Werbung und spricht in erster Linie von „informierenden, beratenden und unterhaltenden Inhalten“ für die Zielgruppe, zum Beispiel Texte, Bilder, Videos, Podcasts oder Infografiken, die „nützliche Informationen, weiterbringendes Wissen oder Unterhaltung“ bieten. Ein Unternehmen profiliert sich mit solchen Inhalten als Experte, Berater und Entertainer, der Kompetenzen und Wertversprechen nicht nur behauptet, sondern demonstriert.
Was also ist „Content“ für Content-Marketing?
Um begriffliche Verwirrungen zu vermeiden, unterscheiden wir bei unlimited „Inhalte“ und „Content“. Inhalte sind das zu Kommunizierende, also Botschaften und Aussagen des Unternehmens zu relevanten Themen. „Contents“ sind dagegen die bereits für eine konkrete Verwendung in einem Kommunikationsmedium aufbereiteten Inhalte, die dafür in ein bestimmtes (meist digitales) Format gebracht wurden (Blogbeitrag, Fachartikel, Whitepaper, Social-Media-Post, …).
Inhalte für Content-Marketing müssen für die Zielgruppe relevant, interessant und nützlich sein. Die produzierten Contents wiederum sollen eine konkrete Wirkung erzeugen (informieren, beraten bzw. Problemlösungen anbieten, unterhalten) und einen festgelegten Kommunikationszweck erfüllen (z. B. Interesse oder Problembewusstsein wecken, Expertise demonstrieren, Kontaktaufnahme befördern).
Nicht nötigen – einladen!
In diesem Sinne inhaltszentrierte Marketing-Kommunikation ist gar nicht so neu. Manche sagen, Content-Marketing gäbe es schon seit 100 (oder gar 300) Jahren: Der Guide Michelin (seit 1900), das Magazin „The Furrow“ des Landtechnikherstellers John Deere (seit 1895) und viele andere Produkte des „Corporate Publishing“ versuchen ebenfalls, (potenzielle) Kunden mit interessanten Informationen und Unterhaltung anzusprechen. Gegenüber direkt produktbezogenen Werbebotschaften, die man den Adressaten häufig aufzwingen muss (und gegen die sie sich heutzutage mit Adblockern und dem „Werbung überspringen-Button zu wehren versuchen), hat das einen entscheidenden Vorteil: Im Optimalfall fragen die Adressaten von sich aus diese Inhalte nach – ähnlich wie bei journalistischen oder Unterhaltungsmedien.
Konkurrenz um Aufmerksamkeit
Natürlich sind aber die Bedingungen heutiger Kommunikation völlig andere als vor 100 Jahren (mehr dazu hier: Warum Content-Marketing?). Das betrifft die verfügbaren Kommunikationstechnologien und Medien (Kanäle), die Rolle der Adressaten als Mediennutzer und auch die Vermittler im Kommunikationsprozess (Medienhäuser, Werbebranche). In den Zeiten von „Web 3.0“ und universeller digitaler Präsenz konkurrieren Unternehmen mit einer Vielzahl anderer Inhalte und Angebote um die Aufmerksamkeit ihrer Adressaten. Deshalb steht und fällt der Erfolg von Content-Marketing mit der richtigen Strategie (Zielgruppen, Inhalte, Kommunikationskanäle) und einer hohen Qualität der produzierten Inhalte – nicht nur aus Sicht von Suchmaschinen, sondern vor allem von Menschen.
Was also ist Content-Marketing? Versuch einer Definition
So können wir unsere eigene Definition von Content-Marketing formulieren:
Content-Marketing ist ein strategischer Marketing-Ansatz, bei dem relevante und nützliche Inhalte für klar definierte Zielgruppen in unterschiedliche Content-Formate hoher Qualität aufbereitet und über geeignete Kanäle kommuniziert werden, um die Erreichung verschiedener Marketingziele zu befördern.
Etwas ausführlicher:
- Content-Marketing ist ein strategischer Marketing-Ansatz, erfordert also eine detaillierte Content-Marketing-Strategie. Abgeleitet von übergeordneten Marketingzielen definiert diese konkrete Kommunikationsziele (z. B. höhere Bekanntheit, Awareness, mehr Webtraffic, Social-Media-Popularität oder mehr Leads), Zielgruppen, passende Kommunikationskanäle und -medien und natürlich passende Inhalte.
- Dabei geht es um Inhalte, die jeweils für eine klar (und eng) definierte Zielgruppe besonders interessant, nützlich, wertvoll, kurz: relevant sind. Dafür ist ein Perspektivenwechsel nötig – die Interessen, Probleme und Painpoints der Zielgruppe stehen im Mittelpunkt, nicht die eigenen Ziele. Es geht also nicht in erster Linie um unternehmens- bzw. produktbezogene Inhalte, es sei denn, genau diese Inhalte werden von der Zielgruppe selbst nachgefragt.
- Beim Content-Marketing steht also der Mehrwert kommunizierter Contents für die Adressaten im Mittelpunkt.
- Aus den strategischen Vorgaben zu Zielgruppen, ihren Bedürfnissen und passenden Inhalten werden konkrete Maßnahmen abgeleitet. Dazu müssen geeignete Kommunikationskanäle (eigene Website, Blog, Social-Media-Kanäle, Fachmedien, Presseportale etc.) identifiziert, passende Contents geplant und in hoher Qualität produziert und verbreitet werden.Die häufig gemachte Einschränkung auf digitale Kommunikation machen wir dagegen nicht; auch Print-Angebote können je nach Zielgruppe und Budget durchaus sinnvoll sein.
„Owned Content“, „Storytelling“, virale Verbreitung – all das sollte im Content-Marketing eine Rolle spielen, ist aber weder notwendige noch hinreichende Bedingung. Relevanz und Nutzen für die Adressaten sind das entscheidende Kriterium. Deshalb erfordert auch B2B-Content-Marketing völlig andere Methoden als Content-Marketing für Consumer. Es geht hier (meist) deutlich weniger um Unterhaltung als um Nutzen, und die Anforderungen an fachliches Know-how und Branchenkompetenz sind sehr viel höher.
Fazit
Aus unserer Sicht ist Content-Marketing zum einen also eine erfolgversprechende Strategie, um in Zeiten veränderter Mediennutzung, sinkender Reichweiten und hoher Konkurrenz um Aufmerksamkeit gezielt die eigenen Zielgruppen mit für sie relevanten Inhalten anzusprechen. Als solche ergänzt es idealerweise andere Instrumente einschließlich Werbung. Zum anderen aber sehen wir im Fokus auf relevanten „Content“ eine Haltung bzw. Philosophie, die nicht neu ist, aber immer wieder in Vergessenheit gerät. Marketing sollte seine Zielgruppen ernst nehmen und die Kommunikation an ihren Interessen ausrichten, nicht an selbstgerechten Botschaften. Wenn das bei den Adressaten ankommt, ist auch der Marke geholfen.
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